Lidl
Lidl hat mit uns das Experiment des Bauens ohne Baukasten gewagt
  • Ort
    Köln Buchforst
  • Objekt
    Neubau einer Lidl-Filiale
  • Verfahren
    Wettbewerb (1. Preis)
  • Bauherrin
    Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG vertreten durch Lidl Immobilienbüro West GmbH & Co. KG
  • Entwurfsverfasser
    Caspar Schmitz-Morkramer
  • Planungs- und Bauzeit
    2015–2019
  • Leistungsphasen
    1–4, 5, künstlerische Oberleitung
  • Brutto-Grundfläche
    2.550 m²
  • Auszeichnungen
    Iconic Awards 2020
  • Fotos
    HGEsch
  • Dieses Projekt stammt aus der gemeinsamen Zeit von meyerschmitzmorkramer.
Lidl ist schön

Die Deutschen kaufen ihre Lebensmittel gerne günstig. Aber der Markt, den sich Supermärkte und Discounter teilen, ist hart umkämpft. Tiefstpreise allein reichen nicht mehr aus, um Kundschaft zu locken und zu binden. Mehr Bio, mehr Frische, duftenden Backautomaten und Social Media Kampagnen modernisieren das Image, aber kann der Einkauf in dem bekannten und überall gleichen Laden wirklich zum Erlebnis werden? Lidl-Märkte gibt es in 30 Ländern der Welt mit klassischem Satteldach oder seit 2015 auch mit Flachdach und vollverglaster Front. 2015 wagte der Handelskonzern sich an die Architektur und lobte einen Wettbewerb für den Entwurf einer Filiale speziell für den Standort in Köln-Buchforst aus. Sehr gerne wollten wir zeigen, dass schnell und günstig nicht alles ist, und haben den Typus „Discounter“ in einer Weise neu gedacht, dass er, über die Versorgung mit günstigen Lebensmitteln hinaus, etwas für seine Nachbarschaft tut. Mit dieser Haltung konnte unser Entwurf überzeugen. Seit der Eröffnung 2019 machen sich das Plus an Architektur und Gestaltung und die lokale Integrität im Stadtbild positiv bemerkbar. Corporate Identity meint hier eine individuelle und passgenaue Lösung mit großem Wiedererkennungswert.

Großzügig

Die Nachbarschaft in Buchforst ist geprägt von einfachem vier- bis sechsgeschossigem Geschosswohnungsbau in Reihen und Zeilen; gestalterisch und konzeptionell herausragend sind der Blaue Hof und die Weiße Stadt, mit denen Riphahn und Grod Ende der 1920er Jahre neue Maßstäbe im Siedlungsbau setzten. Auch die direkt an das Lidl-Grundstück angrenzende Reihe backsteinerner Wohnhäuser steht unter Denkmalschutz. Sie diente mit ihrer Materialität als Referenz für den Neubau.

Der neue Lidl nimmt mit doppelter Geschosshöhe und flachem Dach die Flucht der traufständigen Wohnhäuser an der Kalk-Mülheimer Straße auf. Der schmale Kopf entwickelt sich mit einem zurückversetzten Anbau in die Tiefe. Der Parkplatz und die Anlieferung werden davon abgewandt über die Karlsruher Straße angefahren. Der Eingang in den Markt liegt an der freien Gebäudeecke, ein mit Bänken und Laternen gestalteter Vorplatz wird zum Vermittler zwischen Privatem und Öffentlichem, denn sitzen und bleiben darf hier jeder. Schön, dass der Konzern auch die Verantwortung für den öffentlichen Raum übernommen hat, auch wenn es sich nur um ein kleines Stückchen Stadt an einer vielbefahrenen Kreuzung handelt.

„Einen schönen Lidl zu bauen, kann eine größere Herausforderung sein als ein gutes Museum.“

Aufgeräumt

Auch die Fassaden kommen dem Wunsch nach einer qualitätsvollen Gestaltung nach. Wir haben eine zweischalige Hülle aus Backstein entworfen, einem Material, das Baukultur signalisiert, nicht Konsum. An der Eingangsecke ist das Backsteinkleid vollständig geöffnet, gibt den Blick frei auf die dahinterliegende innere Glasfassade. Seitlich davon löst sie sich das Mauerwerk in schlanken Stützen auf, der Zwischenraum wird zur Arkade, die auch die Einkaufswagenschlangen und Fahrräder schluckt und damit zu einem aufgeräumten Gesamteindruck beiträgt. Erkennt man die Discounter gewöhnlich schon von Ferne, braucht es hier einen zweiten Blick, denn auch das markante Logo mit dem gelben Kreis im blauen Quadrat wurde nicht in der äußeren Ebene, sondern nach innen versetzt auf die Glasflächen montiert. Immer noch gut sichtbar, aber nicht marktschreierisch.

Der Verkaufsraum profitiert von der Gebäudehöhe, die Decke ist unverkleidet, sodass die weit spannenden Holzleimbinder sichtbar bleiben. Markiert die Filiale in Buchforst nun die Wende in der Discounter-Architektur? Sehen alle Märkte bald aus wie Museen? Auch hier gilt, dass, wer mehr investiert – Geld, Zeit, Gedanken – deutlich mehr Wert bekommt. Wir unterstützen die Städte und Kommunen gerne, wenn sie von omnipräsenten Unternehmen wie Lidl, dessen Mutterkonzern Schwarz-Gruppe immerhin der größte Handelskonzern Europas ist, eben dieses Mehr an Baukultur einfordern.

Projektteam